Wissenswertes zu Stiefelschaft und -spitze
Italienfans aufgepasst!
Nord & Süd
Die Kluft zwischen dem reichen Norden und armen Süden Italiens hat eine lange Tradition. Bereits um 1600 wurde der landwirtschaftliche Anbau in Sizilien bis zur Erschöpfung des Bodens betrieben. Auch durch die Abholzung großer Wälder wurde aus der einstigen Kornkammer Sizilien eine der ärmsten Regionen Europas. Ähnlich erging es dem unwegsamen süditalienischen Festland, da der Staat nicht investierte und das ohnedies nicht gute Straßennetz weiter verfiel. Kalabrien, die Basilikata und auch die Abruzzen waren auf sich selbst gestellt und wurden als Reservoir billiger Saisonarbeitskräfte ausgenutzt. Auch das kulturelle Leben stagnierte. Die Universitäten von Neapel (gegründet von Friedrich II.) und Salerno blieben über Jahrhunderte hinweg die einzigen geistigen Zentren des Südens.
Bereits um 1750 breiteten sich im Norden rationellere Wirtschaftsformen aus. In der Landwirtschaft setzten sich Großbetriebe durch, die eine hochwertige Viehzucht und eine umfangreiche Käseproduktion ermöglichten. In Mailand und Como entstanden erste Manufakturen, in den Wolle, Baumwolle und Seide hergestellt wurde. Dies wiederum führte zu einem Aufschwung des Handels und zur Verbesserung der Verkehrswege.
In den Jahren ab 1860, als der italienische Nationalstaat Gestalt annahm, wurde auch im Süden der Eisenbahnbau vorangetrieben. Doch auch dies kam vorwiegend den Unternehmern aus den fortschrittlicheren nördlichen Regionen zugute, denen durch die verbesserten Verkehrswege die Ausnutzung der Ressourcen und der Zugang zu den Märkten in Süditalien erleichtert wurde. Der wirtschaftliche Aufschwung jener Jahre war vorwiegend im Norden zu spüren. Die bereits vorhandenen Industrien (Seide, Wolle, Baumwolle, Papier) konnten durch Nutzung neuer Techniken Quantität und Qualität ihrer Produktion verbessern. Es entstanden neue Gummiwerke (Pirelli) und Großbetriebe zur Herstellung von Lebensmitteln (Cirio). Nur langsam entwickelten sich Eisen- und Maschinenindustrie. Städte wie Mailand, Turin und Genua erfuhren ein starkes Wachstum; Mailand wurde schon damals zum Mittelpunkt der ausländischen Industrien, die auf den italienischen Markt drängten.
Der Abstand zwischen Nord und Süd konnte bis heute nicht überbrückt werden. In Italien stehen sich bis zur Gegenwart wirtschaftlich starke Gebiete wie z.B. die Lombardei, die zu den reichsten Regionen Europas zählt und eine nur geringe Arbeitslosigkeit aufweist, und solche wie Sizilien mit immer noch traditionellen Strukturen und einer hohen Erwerbslosigkeit gegenüber.
Regionen
Italien ist heute eine Republik mit einer Zentralregierung in Rom und insgesamt 20 Regionen. Diese Struktur, die allerdings nicht mit dem föderalistischen System der Bundesrepublik Deutschland zu vergleichen ist, entspricht zum einen historischen Gegebenheiten. Das Herzogtum Savoyen (Piemont), das Großherzogtum Toskana, die Republik Venedig, die Königreiche Neapel und Sizilien sowie die Herzogtümer Mailand, Mantua, Modena und Parma/Piacenza waren über Jahrhunderte hinweg mehr oder weniger eigenständige Gebilde mit eigener Geschichte.
Zum anderen war die in der italienischen Nachkriegsverfassung festgelegte Regionalisierung eine bewusste Reaktion auf den überzogenen Zentralismus während der Zeit des Faschismus. Die Regionen sind heute zuständig für Gesundheits- und Krankenpflege, Museen und Bibliotheken, Städtebau und Verkehrswesen, Fremdenverkehr sowie Land- und Forstwirtschaft. Damit ist eine erhebliche Autonomie möglich. Allerdings haben die Regionen nur geringe Einnahmequellen und sind daher auf die Zuweisungen der römischen Regierung angewiesen.
Auskünfte zu den italienischen Verwaltungsregionen - auch in Sachen Tourismus und Kultur - erhaltet ihr auf deren offiziellen Websites.
Streiks
Sind im Nachkriegsitalien bis heute ein wichtiges und auch wirksames, allerdings zu häufig angewandtes Mittel, um Forderungen der Gewerkschaften und Arbeitnehmer durchzusetzen. Da es in den italienischen Betrieben keine Mitbestimmung gab, blieben die Streiks auch der einzige Weg zur Umsetzung von Forderungen. Das 1970 beschlossene Statuto dei Lavoratori räumte den Arbeitnehmern viele Möglichkeiten der Mitbestimmung ein und ermöglichte eine breite Ausübung des Streikrechts. Entlassungen und Kündigungen sind durch das Statuto auch heute noch kaum möglich. Gerade die kleinen und gut organisierten Gewerkschaften, die z.B. das Personal im Verkehrswesen vertreten und immer wieder den öffentlichen Verkehr der Busse, Bahnen (au weia!) und Flugzeuge (juckt uns nicht!) blockieren, setzen ihre Macht zur Durchsetzung ihrer Forderungen sehr bewusst ein.
Staat & Gesellschaft
Italien ist seit 1948 Republik (Repubblica Italiana) mit Zwei-Kammer-Parlament.
Nationalfeiertag ist der 25. April (Tag der Befreiung - vom eigenen Faschismus?)
Die Italiener gelten zurecht als Weltmeister im Sichdurchwurschteln und als Lebenskünstler par exellence. Offiziell hat kaum jemand ein nennenswertes Einkommen, inoffiziell geht man gleich mehreren Jobs nach. Die paar Lire, die am Monatsende übrigbleiben, fließen in schicke Klamotten, Mobiltelefone und flotte Autos (oder zumindest Motorroller). Miracolo ...
Die Infrastruktur Italiens gilt Fachleuten als mangelhaft, die öffentliche Verwaltung als ineffizient und das Rechtssystem als schlecht funktionierend: um so erstaunlicher, dass der Laden irgendwie doch rundläuft.
Sprache und Dialekte
Amtsprachen sind Italienisch, regional aber auch Französisch und Deutsch.
95 % aller Italiener sind italienischer Muttersprache, 5 % deutscher (Südtirol, Trentino), französischer (Aostatal), rätoromanischer, katalanischer, albanischer, slowenischer, friaulischer bzw. griechischer.
Achtung: wer sich ein paar Brocken Italienisch auf der Volkshochschule angeeignet hat, wird auf Sizilien, in Kalabrien oder irgendwo im Apennin häufiger seinen Ohren nicht trauen: die italienischen Dialekte sind mindestens so farbenfroh wie diejenigen jenseits der Alpen zwischen Oberstdorf und Flensburg (wo nach Meinung der Italiener nurmehr Moose und Flechten gedeihen und die Mitternachtssonne scheint).
Kein Dialekt, sondern eine eigene Sprache, ist das Sardische, das zu den romanischen Sprachen zählt. Eine eigene - rätoromanische - Sprache ist auch das Friaulische, das noch in den Provinzen Udine, Pordenone, Görz und Venedig verbreitet ist.
Religion
Die Lateranverträge, noch von Mussolini und Papst unterzeichnet, behielten bis 1984 ihre Gültigkeit. Bis zur Aufhebung dieses Konkordates war der katholische Glaube offizielle Staatsreligion mit besonderen Vorrechten. Auch heute bleibt Italien ein vom katholischen Glauben geprägtes Land. Angehörige anderer Religionen sind relativ kleine Minderheiten; ca. 200.000 Protestanten, 300.000 Moslems und nur ca. 35.000 Juden fallen rein zahlenmäßig als Glaubensgemeinschaften kaum ins Gewicht.
Wirtschaft
Blüht und gedeiht, mal mehr, mal weniger im Schatten.
Italien ist eine der weltweit führenden Industrienationen und verdankt seinen Wohlstand schon lange nicht mehr Pasta & Pizza. Industrie und Dienstleistungen haben sich im Norden angesiedelt, von wo aus man den landwirtschaftlich geprägten Süden mit durchfüttert. Der revanchiert sich mit Südfrüchten, Tomaten und Vino.
Allein 9 Millionen Deutsche zieht es alljährlich nach Italien: auf der Suche nach Sonne und Strand, aber auch nach römischen Ruinen.